Leben - 15. September 2015

„Heutzutage befindet man sich als Unternehmer in einer Art Dauerlauf“

Es klingt paradox: Ausgerechnet in dem Moment, in dem eine vergrößerte Lebensspanne mit einer Vielzahl an technischen Möglichkeiten der Zeiteinsparung zusammen trifft, scheinen die Menschen besonders wenig Zeit zu haben. Ist es aber nicht! Darüber sprachen wir mit dem international tätigen Unternehmer und Physiker Horst Wenske.

Als vielbeschäftigter Unternehmer und ehrenamtlich sehr engagierter Mensch, was ist gut investierte Zeit?
Horst Wenske: Gut investierte Zeit ist effektiv und effizient. Das hängt für mich immer davon ab, welche Ziele ich gerade verfolge. Wenn ich mich erholen will, ist es für mich gerade richtig gemütlich in die Sauna zu gehen. An anderen Tagen ist meine Zeit in einem erfolgreichen Meeting oder Forschungsbericht gut investiert. Ich frage mich: „Mache ich die richtigen Dinge?“ und „Mache ich sie auf die richtige Weise?“.
Das Ziel kann auch sein, dass ich kein Ziel habe und mich einfach nur treiben lassen möchte. Persönlich empfinde ich Zeit auch immer als sehr gut investiert, wenn ich zu einer Erkenntnis komme und etwas Neues dazulerne.

Man hört immer, unsere Zeit sei schneller geworden, siehst du das auch so bzw. in welchen Bereichen?
Horst Wenske: Ja, doch! Unsere Zeit ist in vielen Bereichen definitiv schneller geworden. Nehmen wir die Produktlebenszyklen. Früher konnten viele Produkte 12 Jahre lang verkauft werden, heute sind sie oft nach zwei Jahren schon veraltet. Man befindet sich als Unternehmer daher in einer Art Dauerlauf mit schnellen Zwischensprints, weil man immer wieder etwas Neues bringen muss. Das liegt auch an den schnelleren Kommunikationswegen
und Taktungen. Es gibt eine Art allgemeine Verfügbarkeit, in der man wenige Rückzugswege hat. Die junge Generation ist teilweise gar nicht mehr dazu in der Lage, das Handy mal wegzulegen. Dazu bin ich auch im internationalen Business in der IT-Industrie tätig. Wenn wir schlafen, beginnt in anderen Ländern gerade erst der Arbeitstag. Und die Konkurrenz ist international.

 

„Heutzutage befindet man sich als Unternehmer in einer Art Dauerlauf“
Horst Wenske, Physiker, IT-Unternehmer, Bundesvorsitzender der Wirtschaftsjunioren Deutschland 2016

Bei welcher Beschäftigung vergeht die Zeit persönlich am Schnellsten?
Horst Wenske: Besonders schnell vergeht Zeit, wenn mich etwas interessiert. Zum Beispiel vergeht die Zeit bei einer guten Diskussion oder einem spannenden Thema sehr schnell. Wenn in einer Sitzung Formalien zu klären sind, können sich zwei Minuten sehr lange anfühlen.

Was ist für einen Physiker Zeit?
Horst Wenske: Die berühmte Formel von Einstein E=mc² in der Relativitätstheorie beschreibt das Thema Zeit ganz gut. Sie zeigt, dass Zeit keine absolute Größe ist, sondern im Zusammenhang mit Masse und Energie steht. Je nachdem, welche Variable ich anpasse, wird Zeit anders wahrgenommen. Man kann also in der Physik genauso erleben, dass Zeit und die Geschwindigkeit von Zeit relativ ist. Daneben gibt es noch Zeitparadoxien. Das, was wir uns in Filmen zum Beispiel als Zeitreise vorstellen. Da wir Menschen auf der Erde alle im gleichen Zeitgefüge unterwegs sind, hat es für uns weniger Auswirkungen. Obwohl es schon Menschen gibt, die Flashbags und Vorahnungen haben. Wie das wissenschaftlich zu bewerten ist, ist nicht ganz sicher. Wenn man theoretisch in der Lage wäre, den Raum zu krümmen, könnte man schon in einer anderen Zeit unterwegs sein.

Du warst in den vergangenen Jahren für die Wirtschaftsjunioren in vielen Ländern unterwegs. Hattest du das Gefühl, dass es in verschiedenen Kulturen ein anderes Zeitgefühl oder eine andere Einstellung zum Thema Zeit gibt?
Horst Wenske: In Deutschland ist es normal, eine Uhr zu tragen. In Brasilien beispielsweise unüblich. Menschen gehen in verschiedenen Kulturen sehr unterschiedlich mit der Zeit um. In unserer Kultur diktiert die Zeit uns, was wir wann zu tun haben. In anderen Kulturen folgt die Zeit dem Verhalten. Wenn die Sonne scheint, bleibe ich eben mal länger draußen. Für den europäischen Bereich sind wir im Vergleich streng im Umgang mit der Zeit. Japaner sind noch wesentlich stärker durchgetaktet. Da wird die Zeit in Zweiminuteneinheiten geplant. Für die Lebenskultur ist die Zeiteinstellung der Südländer wohl besser, für die Effizienz womöglich die der Japaner und Deutschen.

Dieses Interview und weitere spannende Reportagen, Berichte und Artikel gibt es im Lust-auf-E-Magazin 2015 dank unserer Partner kostenlos zum Download.