Leben - 17. September 2015

Von der Renaissance des Glücks

Wie Wirtschaft und Gesellschaft den Zustand von Freude und Zufriedenheit als ganzheitliches Lebensgefühl (wieder)entdecken – und über eine ganz einfache Glücksformel.

Rund 27 Millionen Ergebnisse liefert die bekannte Suchmaschine Google beim Suchbegriff Glück. Ein Blick in die Statistik zeigt, dass in Bayern deutschlandweit am häufigsten nach Glück gesucht wird. Berlin und Hamburg sind Schlusslichter. In Bayern ist der Norden Spitzenreiter. Wie die Mainpost im Januar vergangenen Jahres schreibt, liegt die fränkische Lebenszufriedenheit über dem Bundesdurchschnitt.

„Als Erfüllung menschlichen Wünschens und Strebens ist Glück ein sehr vielschichtiger Begriff“, weiß das Online- Nachschlagewerk Wikipedia, übrigens auf Platz 1 bei der Google-Suche, gefolgt von Psychotipps mit „Wege zum Glück“. Apropos vielschichtig: Philosophen beschäftigen sich bereits seit Menschengedenken mit dem Thema Glück und versuchen den Zustand von Freude und Zufriedenheit zu verstehen.

In den Reihen der Philosophen gilt Epikur als der Glücksphilosoph. Er lebte von 341 bis 270 v. Chr. und sah die Lust als Prinzip des gelingenden Lebens an. Ihm ging es um die Vermeidung von Unlust und das Erreichen der Ataraxia, der Seelenruhe. Diese erreicht der Mensch durch ein zurückgezogenes, bescheidenes Leben.

Das Mittelalter verlagert den Glückszustand ins Jenseits. Erst nach dem Tod könne dieser dauerhaft erreicht werden. Diesen Gedanken greift auch Kant später wieder in der Neuzeit auf. 2001 ist es schließlich der Philosoph Pascal Bruckner, der dem Glück skeptisch gegenüber steht. Geprägt von der Spaßgesellschaft der 1990er Jahre bezeichnet er den Glücksbegriff als ausgehöhlt und leer. Das Streben nach Glück sei zum Diktat geworden und dessen Erfüllung werde nur noch an äußeren Standards, wie Fitness, Schönheit und Konsumgütern, gemessen.

„Die Glücksforschung ist mittlerweile auch ein Feld, das nicht mehr nur unter Philosophen, Psychologen, Neurobiologen und Volkswirten diskutiert wird“, schreibt zum Beispiel Prof. Dr. Karlheinz Ruckriegel von der Technischen Hochschule Nürnberg in seinem Aufsatz „Happiness Research (Glücksforschung) – eine Abkehr vom Materialismus“. Für dieses Magazin konnten wir den renommierten Glücksforscher interviewen. Er stellt fest: Sie dränge auch mit Wucht in die öffentliche Meinung in Deutschland. Ein Ziel der Glücksforschung ist es zum Beispiel, herauszufinden, was Glück fördert oder hemmt und Handlungsempfehlungen abzuleiten, etwa für die Wirtschaftspolitik.

Doch soweit ist die deutsche Wirtschaftspolitik noch nicht: „Wirtschaftspolitisch dominiert vielmehr die Fixierung auf das Wirtschaftswachstum, das durch die Wachstumsrate des realen Bruttoinlandsprodukts (BIP) gemessen wird.“ Wirtschaftswachstum als wirtschaftspolitisches Ziel hinterfragt Professor Ruckriegel kritisch, denn er weiß: Mehr Wachstum und auch mehr Wohlstand machen nicht zwangsläufig glücklicher.

Dies belegen auch unterschiedliche Studien: Ab einem Nettogehalt von 5.000 Euro pro Monat, also 60.000 Euro im Jahr, lässt sich das persönliche Glücksempfinden nicht mehr steigern. Denn der wachsende Wohlstand ruft auch wachsende Ansprüche hervor. Können diese nicht erfüllt werden, schwindet das Gefühl von Glück wieder. Die Better Life Initiative der OECD will bei der Frage, was die Menschen glücklich macht, eine Antwort liefern. Ihr Ziel ist es, zu klären, was für das Wohl der Menschen wichtig ist und was Staaten tun können, um größere Fortschritte für alle zu erzielen. In dieser Studie landet Deutschland regelmäßig im Mittelfeld. Zu den glücklichsten Menschen zählen dabei die Dänen und die Skandinavier, gerade was den Punkt Work-Life-Balance angeht.

Das Glück liegt in den Genen, genauer gesagt in den 40 „happy“ Gen-Varianten, die Wissenschaftler nachweisen konnten. Sie sorgen aber nicht alleine für Glück und Wohlbefinden. Das mag all jene trösten, die sich hier von der Natur benachteiligt fühlen. Denn Glück ist und bleibt das Endprodukt zahlloser Wechselwirkungen zwischen Gehirn und Nervensystem, den Lebensumständen und dem Alltag. Deshalb liegt das Glück einerseits in den Genen und in den Menschen selbst, in ihren persönlich einzigartigen und selbst gewählten Erlebnissen und Erfahrungen.

Damit scheint Goethe recht zu behalten mit seiner Glücksformel und er liefert auch die Erklärung dafür, warum die als heimatverbunden geltenden Franken einfach glücklich sind, auch wenn man es ihnen nicht immer gleich auf den ersten Blick ansieht:

„Willst du immer weiter schweifen? Sieh, das Gute liegt so nah. Lerne nur das Glück ergreifen: Denn das Glück ist immer da.“